Freitag, 7. November 2014

Über Arbeitskämpfe und Solidarität

Das schöne an Blogposts ist ja, das Sie Meinungen verbreiten, selbst wenn Sie kaum gelesen werden. Ein Art modernes Tagebuch sozusagen. Ich kann in 5 oder 10 Jahren nachschauen, was ich zu einem spezifischen Thema geschrieben habe und werde mit meiner eigenen Meinung konfrontiert. Vielleicht ist meine Beobachtung ja verzerrt und in der Rückschau überzogen, vielleicht aber auch korrekt und vorraus schauend.

Es gibt mit Blick auf den Bahnstreik einen eklatanten Mangel an Solidarität in diesem Land! Eine Gewerkschaft kündigt einen (4-tägigen!) 100-Stunden Streik an und das Land (bzw. die Presse) ist ausser sich. Eine derartig einseitige Pressekampagne wegen eines Arbeitskampfes ist wohl einmalig in diesem Land. Ich habe gerade einen Artikel gelesen in dem über die furchtbaren Einschränkungen lamentiert wird, die sich aus dem Arbeitkampf der Bahngewerkschaft für Privatpersonen ergeben haben. An einem Donnerstagmorgen! Redaktionsschluss Mittwochabend! Zu Info, der Streik fängt erst am Donnerstag an, es kann also zum Redaktionsschluss keine Einschränkungen gegeben haben. Außerdem kommen Lokführer zu Wort, die als Streikbrecher zu Arbeit gehen wollen und als Helden der Arbeit stilisiert werden. Wo leben wir denn?

In den 80ziger Jahren gab es Arbeitkämpfe die Wochen gedauert haben und der Müll stapelte sich bis unter die Fensterbank. Es handelt sich hier um einen 100-Stunden Streik, nicht um das Ende der Welt. Vor 30 Jahren wäre das als Warnstreik durchgegangen. 

Streik ist ein Grundrecht! Man mag den Gründen des Streiks nicht zustimmen, aber es in Abrede stellen ist wirklich das letzte.

Hier noch mal für die Oberschlauen ydie für Arbeitskämpfe zuständige Rechtsnorm nach Artikel 9, Abs.3 Grundgesetz.


3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.


Etwas mehr Gelassenheit bitte!



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Montag, 19. Mai 2014

Warum die in Karlsruhe keine Arschlöcher sind.


Wir werden uns von den acht Arschlöchern in Karlsruhe nicht unsere Ostpolitik kaputt machen lassen!

Ob dieses Zitat nun Horst Ehmke oder Herbert Wehner zugeschrieben werden muss, konnte ich nicht eindeutig klären, auf jeden Fall ist es über 40 Jahre alt.
Wenn mir langweilig ist, lese ich zum Spass alte Verfassungsgerichtsurteile. Ja, das ist snobistisch und elitär und insgesamt eine etwas seltsame Übung, aber ich bin schon so manches Mal auf eine Perle der Jurisprudenz gestoßen. So auch dieses Wochenende.

Der Staatsgewalt wurde ja nicht erst seit dem Münchener NSU-Prozess vorgeworfen auf dem rechten Auge blind zu sein und sich eher um Linksradikale zu kümmern.  Das mag stimmen oder auch nicht, aber seit dem RAF-Terror zeigt sich ein Reflex es beim linken Gedankengut dann doch bitte immer ganz besonders genau zu nehmen.

So auch im September 1997, als in Berlin-Kreuzberg eine angemeldete Versammlung unter dem Motto "Freiheit für Ulli" stattfand. Ulrich L. wurde inhaftiert, weil er in der Öffentlichkeit das Lied "Deutschland muss sterben" der Hamburger Punkrock-Gruppe "Slime" abspielte.

Jeder Linke kennt das Lied. In studentischen Kreisen wurde es immer gerne und oft abgespielt, meistens zu fortgeschrittener Stunde im süßlichen Cannabis-Rauch, wenn man mit der Welt im Einklang und die politische Gesinnung durch eine Castor-Demo am Nachmittag gefestigt war.

Für alle anderen, hier noch einmal der Liedbeitrag:


Während also die Demo für Uli (50 Leute waren gekommen) seinen Lauf nahm kam es wie es kommen musste: Gegen Ende der Veranstaltung wurde das Lied in die Musikanlage eingelegt und über Lautsprecher zum Vortrage gebracht.
Das fand die Berliner Polizei nicht so gut, erstattete Anzeige und das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Veranstalter wegen einer Straftat nach § 90 a StGB zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 25 DM. Er habe durch Abspielen des Liedes bei einer Versammlung die Bundesrepublik Deutschland beschimpft und böswillig verächtlich gemacht.
Als rechtsstaatlich verfasste Demokratie sei die Bundesrepublik Deutschland in ihrem von der inneren Zustimmung ihrer Bürger abhängigen Bestand auf ein Mindestmaß an Achtung dieser Bürger ihr gegenüber angewiesen, auch um die Grundrechtsausübung und damit die Kunstfreiheit selbst wirksam gewährleisten zu können, hiess es in der Urteilsbegründung. 

Und wie das eben in Deutschland so ist, wenn sich der Bürger im Recht fühlt, ging der Verurteilte durch alle Instanzen. Landgericht Berlin - Urteil bestätigt! Kammergericht Berlin - Urteil bestätigt!

Das kann doch nicht sein, das man hier kein Recht bekommt in diesem Schweinesystem! Also, letzte Hoffnung Karlsruhe!

Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.

Und siehe da, die zweite Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts sah die Sache ganz anders, aber so richtig. Nicht nur geben sie dem Beschwerdeführer mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Verunglimpfung des Staates und seiner Symbole, § 90 a StGB recht. Sein Grundrecht auf Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG wurde verletzt.
Nein, in der Urteilsbegründung drucken sie den Volltext des Liedes auch noch ab. 

Linksradikales Liedgut in einem Verfassungsgerichtsurteil! Da musste ich schon ziemlich grinsen. 

Damit nicht genug: Um es Amts-, Land- und Kammergericht noch mal so richtig reinzureiben, beschäftigen sich weite Teile des Urteils nicht nur mit Rechtsfragen, sondern mit weitläufigen Textinterpretationen, Rezensionen, geschichtlichen Einordnungen und Vergleichstexten. Insgesamt in einem ziemlich prosaischen Stil. Den Höhepunkt bildet als Vergleichstext das Gedicht "Die schlesischen Weber" von Heinrich Heine, das ebenfalls im Volltext abgedruckt ist. Hier nochmal für diejenigen zur Erinnerung, deren humanistische Bildung im Facebook-Zeitalter gelitten hat:


Die schlesischen Weber

Im düstern Auge keine Träne,
Sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne:
"Deutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterskälte und Hungersnöten;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft, gefoppt und genarrt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt -
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Wo Fäulnis und Moder den Wurm erquickt -
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht -
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreifachen Fluch -
Wir weben, wir weben!"

Ich weiss nicht, ob eine juristische Ohrfeige schallender ausfallen kann, aber in der Berliner Justiz halten sie die Richter in Karlsruhe bestimmt für Arschlöcher.

>> Hier << noch einmal das Urteil zum selber nachlesen.  



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Dienstag, 18. Juni 2013

Dienst oder Dienstmerkmal nicht möglich!



Lüstling, Päderast und Hedonist
Zu den selteneren Erfahrungen des modernen Menschen gehört sicherlich die ungewollte Unerreichbarkeit. Da der grosse Telekommunikationsmonopolist, sozusagen als persönliches Abschiedsgeschenk, einen stressfreien Umzug zum Mitbewerber unmöglich machte, muss ich nun  bis zum 26.6. mit einer Nottelefonnummer und einem Notinternetzugang auskommen. Wer die Nummer partout wissen will, kann mich über meinen PRISMverseuchten Webmailer erreichen. Ich werde die Nummer dann rausgeben. Allen anderen sei gesagt, das nach dem initialen Schock der Schmerz doch recht schnell nachläßt und der Griff zum guten Buch über vieles hinwegtröstet. Ständige Erreichbarkeit und Web 2.0 sind leicht überwindbare Topoi, auch wenn es nicht so erscheinen mag. 

In diesem Sinne:

Ut melius, quidquid erit, pati.
Seu pluris hiemes seu tribuit Iuppiter ultimam,
quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare
Tyrrhenum...


Ich versuche mich mal an einer Übersetzung (*hust*):


Wieviel besser ist es, zu ertragen, was auch immer sein wird. 
Sei es, daß Jupiter noch mehr Winter, sei es, 
daß er uns schon den letzten zugeteilt hat,
der jetzt an schroffen Klippen das tyrrhenische Meer bricht...

Mitlesende Romanist/Innen (Was macht man damit eigentlich? Irgendwas mit Medien vielleicht? Höhö!) mögen mir die holprige Übersetzung verzeihen. Mein Horaz ist etwas eingerostet über die Jahre *hüstel*. Das mag daran liegen, das die interessanten Gedichte nie den Weg in den Lateinunterricht fanden. Warum wohl? Verklemmtes Bildungsbürgertum, das auf dem ganz hohen Roß sitzend milde lächelnd den Plebs niederreitet! 
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Fundstücke:

Hurra, die Welt hat ein neues MEM! Irgendwelche Arschlöcher, die die Bücher kennen, wussten was kommt und haben ihre ahnungslosen Freunde während der "Red Wedding Scene" gefilmt. Das Ergebniss ist wirklich zum totlachen. Aber Vorsicht! The comment section is dark and full of spoilers! Zum Beispiel hier oder hier oder einfach "Red Wedding Reaction" bei Youtube eingeben. Ich muss zugeben meine Reaktion ging ungefähr so: NO, NONONONONONO, NOOOOOOOOOOOOOOOO. Oh nein, alles ist dahin! Nerdboner pur, sag ich nur!




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